
Bei diesem Thema kommt normalerweise das geflügelte Wort von " den Italienern, die die Deutschen schätzen , aber nicht lieben, während es bei den Deutschen gerade umgekehrt ist". Ich meine , dass die gegenseitige Hochschätzung auf beiden Seiten überwiegt. Bei den Italienern bewundern wir Dinge wie Lebensart (was immer das auch sein mag) Flexibilität und Phantasiereichtum. Umgekehrt werden deutschen Tugenden wie Fleiss, Pünktlichkeit und Effizienz geschätzt. Doch trifft dies heute wirklich noch so eindeutig zu ? Reisen und Bekanntschaften in beiden Ländern lassen dieses Bild wohl immer mehr verschwimmen. Auf jeden Fall ist das Verhältnis zwischen beiden Laendern weniger verkrampft als zu anderen, da sich beide irgendwie als ergänzend betrachten und keiner versucht, ständig den anderen zu übertrumpfen. Last not least: Italien und Deutschland hatten noch nie eine gemeinsame Grenze.
Italienischer Charme romanisierte Deutschland
Mittlerweile haben beide Seiten von einander gelernt. Italienische Autos rosten heute nicht mehr, und die Deutschen haben italienische Rituale des gepflegten, mehrgängigen Speisens übernommen. Auch der Wein gehört immer mehr dazu.
Man kann sagen, in Sachen Ernährung ist Germanien heute romanisiert. Was Varus im Teuteburger Wald nicht gelang, hat nach dem 2. Weltkrieg der Charme italienischer Gastronomie zuerst in West- dann später auch in Ostdeutschland geschafft. Aus deutscher Sicht, ein riesen Gewinn. Hätte man schon früher haben können.
In einem aber herrscht derzeit nördlich und südlich der Alpen Gleichstand. Trotz Leonardo da Vinci, Vivaldi und Verdi auf der einen sowie Beethoven und Goethe auf der anderen Seite gibt es derzeit keine größere Kulturlosigkeit in der Welt als in Italien und Deutschland. Usache: der Jugendkult. Südlich der Alpen pflegt man die Oberflächlichkeit, nördlich der Alpen entweder das gleiche oder eine überspitzte Intellektualität, vor allem im Theater.
Während in Italien wegen Desinteresses bereits einige Opernhäuser geschlossen werden sollen, bleiben in Deutschland die Besucher aus Gründen des Ärgers über unsinnigste Inszenierungen den Theatern fern.
Hoffen wir, das es sich um eine vorübergehende Entwicklung handelt. Noch punktet gerade Italien mit Kultur, etwa mit Baukunst. Aber es handelt sich fast ausschließlich um Werke aus der Vergangenheit.