Zeitgenössisches

Warum sind die italienischen Mundarten bereits von Dorf zu Dorf verschieden?

Es ist wohl kein Zufall, dass sich die regionalen Dialekte auf Lokalebene in zahlreichen Facetten manifestieren . Bereits wenige Kilometer vom eigenen Standort entfernt spricht man "anders" und auch die Leute dort sind "irgendwie anders". Die Menschen sind stolz auf ihr Anderssein, eine Art Patriotismus im Kleinen, der unverkennbar den Ursprung eines jeden nachweisen soll. Sozusagen eine dem Qualitätswein ähnliche "Denominazione di Origine Controllata" , die mehr oder weniger offen zur Schau gestellt wird. Nicht ohne Grund ist der "Campanilismo" eines der meist benuzten Worte im italienischen Sprachgebrauch. So mancher ausländische Beobachter benuzt deshalb gerne den Vergleich , wonach es "schwieriger ist , zwei Italiener unter ein Dach zu bringen als einen Sack Flöhe zu hüten." Ich sehe noch eine interkulturelle Variante: Finden zwei Deutsche zusammen, so gründen sie einen Verein. Bei den Italienern reicht bereits einer, um eine neue Partei zu gründen.
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Warum sind deutsche Vokabeln wie Hinterland und Blitz zu festen Bestandteilen der italienischen Sprache geworden ?

Die Begriffe haben sich während des zweiten Weltkrieges aus der Militärsprache eingebürgert. Wahrscheinlich deshalb, weil sie einen grösseren Sachverhalt mit einem einzigen knappen Wort beschreiben. Noch deutlicher wird dies bei dem im Alltag oft verwendeten Begriff "Kitsch" , der laut italienischer Enzeklopädie mit "opera artistica o oggetto industriale di cattivo gusto" umschrieben wird.

Warum werden geografische Eigennamen des Auslandes immer in die jeweile Landessprache übersetzt ?

PICT3646In meinen Augen bedeutet das "Einverleiben" von Eigennamen in die eigene Sprache nur einen zusätzlichen Beitrag zur internationalen Sprachverwirrung. Dabei gibt es dafür überhaupt keinen triftigen Grund. Ein Deutscher beispielsweise bringt auch Fremdwörter wie Napoli oder Venezia ohne grössere Anstrengung über die Lippen. Doch auch einem kaum bereisten Stiefelbewohner kann man, so möchte ich meinen, das Aussprechen von weniger heimeligen Worten wie Würzburg, Frankfurt oder Düsseldorf durchaus zumuten. Fehlversuche werden mit Sicherheit auf das Verständnis und die Hilfsbereitschaft der Deutschen stossen.

Warum wohnen selbst schon betagte italienische Singles noch bei ihren Eltern ?

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Mehr als 70% der unverheirateten Italiener zwischen 18 und 39 Jahren leben in Hotel Mamma: Ein warmes Zimmer , Mutters gute Küche und ständig frisch gebügelte Wäsche. Bis zur Gründung einer eigenen Familie gibt es kaum Gründe , das Elternhaus zu verlassen. Da muss selbst der jugendliche Freiheitsdrang zurückstehen. Allerdings sind auch immer mehr wirtschaftliche Aspekte im Spiel. Wohnungen in den Städten sind nicht gerade billig und die Lage am Arbeitsmarkt lässt kaum eine längerfristige Planung zu.

Warum sind mehrsprachig aufgewachsene Menschen anders ?

Die Bewohner von Südtirol oder des Aostatales werden oft gefragt, ob sie sich mehr zu Italien oder zu Österreich bzw. zu Frankreich hingezogen fühlen. Ich werde oft gefragt, ob ich mich eher als Deutscher oder als Italiener fühle. Die in meinen Augen einzig richtige Antwort (und da verlasse ich bewusst die alte Stammtischregel) lautet: Wir sind Südtiroler . Noi siamo Valdostani. Und ich bin Italien-Deutscher. Da gibt es kein entweder oder. Wir alle tragen mehrere Kulturen in uns und versuchen daraus die bestmögliche Lebensphilosophie zu machen. Dass die Muttersprache (di mamma c'è ne una sola !) eine wichtige Rolle spielt, darf nicht ignoriert, aber auch nicht überbewertet werden.

Warum herrscht spontane Zuneigung zwischen Deutschen und Italienern ? Warum ist das Verhältnis zwischen beiden Ländern meist unkomplizierter als zu vielen anderen europäischen Nachbarn ?

PICT3646Bei diesem Thema kommt normalerweise das geflügelte Wort von " den Italienern, die die Deutschen schätzen , aber nicht lieben, während es bei den Deutschen gerade umgekehrt ist". Ich meine , dass die gegenseitige Hochschätzung auf beiden Seiten überwiegt. Bei den Italienern bewundern wir Dinge wie Lebensart (was immer das auch sein mag) Flexibilität und Phantasiereichtum. Umgekehrt werden deutschen Tugenden wie Fleiss, Pünktlichkeit und Effizienz geschätzt. Doch trifft dies heute wirklich noch so eindeutig zu ? Reisen und Bekanntschaften in beiden Ländern lassen dieses Bild wohl immer mehr verschwimmen. Auf jeden Fall ist das Verhältnis zwischen beiden Laendern weniger verkrampft als zu anderen, da sich beide irgendwie als ergänzend betrachten und keiner versucht, ständig den anderen zu übertrumpfen. Last not least: Italien und Deutschland hatten noch nie eine gemeinsame Grenze.

Warum verhalten sich Italiener am Lenkrad anders als die Deutschen ?

Der Deutsche besteht gerne auf seinem Recht. Deshalb erwartet er, dass sich alle an die Vorschriften halten. Und schon knallt's. Der Italiener ist etwas besonnener, da er die Unzulänglichkeiten seiner Landsleute sehr gut kennt und deshalb immer mit dem Schlimmsten rechnet. Weitaus weniger als in Deutschland verbreitet ist auch das Phänomen der Raser und Drängler, die sich oder ihren Mitmenschen unbedingt etwas beweisen müssen. Das gleiche gilt wohl für die Fahrer, die stur auf der Überholspur bleiben und andere disziplinieren wollen.
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Warum müssen Italiener zwecks Verabredung mindestens vier bis fünf Mal telefonieren , wenn der Deutsche das meist mit einem einzigen Anruf schafft?

PICT3587Das kann wohl kaum daran liegen, dass alle Bewohner dieses Landes "casinisti" sind und ihre Zeit nicht einteilen können. Vielmehr sehe ich die Freude an der Kommunikation, die die Italiener gerne zum Telefonhörer greifen lässt. Andererseits ist die Zahl der Unwägsamkeiten und unvorhergesehenen Ereignisse in diesem Land (nicht zuletzt wegen der Unzuverlässigkeit der öffentlichen Hand) viel grösser als in Deutschland.

Warum sind die Italiener so wenig reformfreudig, obwohl sie die Schwächen ihres Landes und dessen Bewohner genau kennen (und mit grösster Akribie beschreiben können ?

PICT3530Möglicherweise liegt der Grund darin, dass Begriffe wie "Vernunft" und "Gemeinwohl " im italienischen Sprachgebrauch ganz hinten anstehen müssen. Grundlegende Aenderungen gibt es nur dann, wenn sie vom Gesetzgeber angeordnet werden und für alle gelten. Es sei denn, dass (wie so oft) die ganz Schlauen die Oberhand gewinnen (trovata la legge trovato ...) . Grundsätzlich ist es so, dass man den ersten Schritt gerne den anderen Zeitgenossen überlässt.

Warum sollen die Kreuze aus den italienischen Schulen verschwinden, während es als selbstverständlich gilt, dass wir unseren islamischen Mitbügern Moscheen bauen und Gebetsräume zur Verfügung stellen ?

Auf die Frage meines fünfzehnjährigen Sohnes antworte ich: Religionsfreiheit gehört zu den fundmentalen PICT4233Grundrechten einer modernen Demokratie. Wenn Zeichen der Religionszugehörigkeit wie Kreuz oder Kopftuch in den öffentlichen Alltag getragen werden, kann das jede gestandene Demokratie verkraften. Schlimm wird es erst, wenn religiöse Kultstätten von Hasspredigern missbraucht oder zur Nachzucht von militanten Fanatikern genutzt werden.

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Zuletzt aktualisiert: 16. Mai, 15:35

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